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Pubertät - Eine besondere Herausforderung für junge Diabetiker und ihre Familien
Die Hormone fahren Achterbahn, die Stimmungen schwanken, die Pickel sprießen, der eigene Körper verändert sich, das Interesse an der Sexualität erwacht und die Beziehungen zu den Eltern und Freunden sind nicht mehr, was sie einmal waren – die Pubertät ist für die meisten Menschen eine schwierige Zeit. Für Jugendliche, die an einer chronischen Erkrankung wie dem Diabetes mellitus leiden, hat diese Entwicklungsphase mit ihren körperlichen, geistigen und psychischen Veränderungen darüber hinaus auch einen starken Einfluss auf den Verlauf ihrer Krankheit.
Diabetes mellitus bedeutet für 25.000 bis 30.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland mehrmals täglich Insulin spritzen, Blutzucker messen und Kohlenhydratberechnung. Etwa eines von 600 Kindern erkrankt an dieser Stoffwechselstörung. Über 90 Prozent von ihnen haben den so genannten Typ 1 Diabetes. Bei diesem Typ bildet das körpereigene Abwehrsystem Antikörper gegen die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse und zerstört diese. Die Folge: Der Energiespender Zucker kann ohne das Hormon Insulin nicht mehr in die Körperzellen gelangen und reichert sich im Blut an. Bei dem bei Kindern selteneren Typ 2 Diabetes wird zwar noch Insulin produziert, allerdings reagieren die Körperzellen nicht mehr richtig darauf. Ursachen dafür sind Bewegungsmangel, Übergewicht und ungesunde Ernährungsgewohnheiten.
Unregelmäßige Ausschüttung
Dr. Nicole Treptau ist Diabetologin und Oberärztin in der Klinik für Neonatologie, Kinder- und Jugendmedizin des Elisabeth-Krankenhauses Essen. Die Klinik ist eins von vier Zentren in der Bundesrepublik, das von der Deutschen Diabetes Gesellschaft als "Schulungs- und Behandlungseinrichtung für Kinder- und Jugendliche mit Diabetes Typ 1" in der höchsten Stufe zertifiziert wurde. Dr. Treptau weiß, welche Probleme gerade die Pubertät bei Diabetikern verursacht: "Bei Jugendlichen ist es oft nicht leicht, den Blutzucker im Gleichgewicht zu halten. In dieser Lebensphase werden Drüsen und Hormone aktiv und der Körper entwickelt sich zu dem eines Erwachsenen. Wachstums- und andere Hormone können die Wirkung des injizierten Insulins abschwächen und sich somit negativ auf den Blutzucker auswirken. Da sie in der Pubertät sehr unregelmäßig in den Körper ausgeschüttet werden, kommt es zu einem ständig wechselnden Insulinbedarf. Das macht es schwierig, den Diabetes unter Kontrolle zu halten. Gerade in den frühen Morgenstunden werden bei Kindern vermehrt Hormone ins Blut abgegeben, die den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen. In einem solchen Fall spricht man vom DAWN-Phänomen."
Einfluss auf den Insulinbedarf hat auch körperliche Bewegung. Deshalb erschweren die ständig wechselnden Tagesabläufe und Freizeitaktivitäten von Heranwachsenden die Blutzuckereinstellung ebenfalls. An dem einen Tag sitzen die Jugendlichen nur vor dem Computer, an einem anderen sind sie die ganze Zeit über sportlich aktiv. "Gerade in der Pubertät ist es besonders wichtig, den Blutzucker häufiger zu kontrollieren", so Dr. Treptau. "Und auch die Insulintherapie muss den individuellen Lebensumständen angepasst werden. Hier hat sich die intensivierte Insulintherapie durchgesetzt. Das heißt, vor den Mahlzeiten wird schnell wirkendes Normalinsulin oder Analoginsulin gespritzt und zusätzlich morgens und abends ein langsam wirkendes Verzögerungsinsulin. Wenn die jungen Patienten unter dem DAWN-Phänomen leiden, kann für sie auch eine Insulinpumpentherapie hilfreich sein. Insulinpumpen sind kleine Infusionsgeräte, über die kontinuierlich das Insulin ins Unterhautfettgewebe abgegeben wird. Für jede Stunde des Tages wird die gewünschte Insulindosis einprogrammiert. Mit dieser kontinuierlichen Substitution lässt sich auf den wechselnden Insulinbedarf gut reagieren. Vor den Mahlzeiten oder zur Korrektur einer Stoffwechselentgleisung wird eine zusätzliche Insulinmenge, der so genannte Bolus, durch einen einfachen Knopfdruck am Gerät injiziert."
Selbstbewusst und selbstständig
In der Pubertät durchleben Kinder nicht nur körperliche, sondern auch tiefgreifende seelische Veränderungen. Heranwachsende beschäftigen sich stark mit sich selbst, ihrem eigenen Körper und ihrer Wirkung auf andere. "Eine chronische Erkrankung wollen viele Betroffene nicht akzeptieren", weiß Dr. Treptau aus der täglichen Praxis. "Das führt oft dazu, dass junge Diabetiker versuchen, ihre Stoffwechselstörung vor anderen geheim zu halten. Im Extremfall kann es sogar zu einer totalen Therapieverweigerung kommen. Selbstbewusstsein lässt sich durch altersentsprechende Gruppenschulungsprogramme und gemeinsame Freizeit- und Urlaubsaktivitäten mit Betroffenen fördern. In der Gemeinschaft mit anderen gleichaltrigen Diabetikern werden Hemmungen überwunden und die Akzeptanz der eigenen Erkrankung gesteigert."
Auch die Interessen und Prioritäten im Leben verändern sich auf dem Weg vom Kind zum Erwachsensein. Verpflichtungen wie das Diabetesmanagement werden dann oft vernachlässigt – was häufig zu Konflikten innerhalb der Familie führt. "Haben zuvor die Eltern die Therapie gemanagt, müssen Jugendliche nun lernen, Schritt für Schritt die Verantwortung selbst zu übernehmen", so Dr. Treptau. "Das ist oft mit Gefühlen der Verunsicherung und Überforderung verbunden. Es kann ja auch tatsächlich ziemlich demotivierend sein, wenn man sich um eine gute Blutzuckereinstellung bemüht und die Werte dennoch nicht immer optimal sind. Die Jugendlichen erkennen, wie weit Wunsch und Wirklichkeit häufig im Leben voneinander entfernt sind. Je mehr die Eltern und Schulungseinrichtungen sie jedoch bei ihrem Weg in die Selbstständigkeit unterstützen und motivieren, je eher werden sie die Therapieverantwortung - die sie für den Rest ihres Lebens tragen müssen - annehmen."
Natürlich sollten alle Heranwachsenden von ihren Eltern über Themen wie Alkoholkonsum, Drogen, Essstörungen, Liebe oder Sex aufgeklärt werden. Bei jungen Diabetikern reichen die Standardinformationen allerdings zumeist nicht aus. Anders als bei Nichtdiabetikern, die beispielsweise auch ihre Erfahrungen mit Übelkeit oder Kopfschmerz nach einem ersten Partyrausch machen, ist es für Diabetiker lebensnotwendig, die Wirkung von Alkohol im Körper zu kennen und zu wissen, dass sie sich bei gesteigertem Konsum der Gefahr einer Unterzuckerung aussetzen. "Eltern sollten allerdings nicht versuchen, ihren Kindern aus Angst alles zu verbieten, was gefährlich sein kann. Das führt nur zu Heimlichtuerei und Lügen," so Dr. Treptau. "Sie sollten trotz aller Bedenken, die sie möglicherweise haben, immer auch darauf achten, dass der Diabetes die Freiheit des betroffenen Heranwachsenden möglichst wenig einschränkt."
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© Elisabeth-Krankenhaus Essen / NED.WORK Agentur & Verlag GmbH / Veröffentlicht am 26.11.2007